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REZENSION: Jörg Haustein, Writing Religious History. The Historiography of Ethiopian Pentecostalism. Wiesbaden: Harrassowitz 2011

von Johannes Launhardt

Es gibt zahlreiche Einzelgeschichten zur äthiopischen Pfingstbewegung. Haustein legt eine Gesamtdarstellung vor, eine fundierte Arbeit.

Zuerst geht es um den Kontext in den jeweiligen politischen Systemen, dazu um die Rechtslage, nach der die Kirchen, mit Ausnahme der Äthiopisch-Orthodoxen-Kirche, (EOC) sich als Verein registrieren lassen mussten. Es folgt ein geschichtlicher Überblick über die Pfingstbewegung in Äthiopien, beginnend in den 1950er Jahren mit finnischen und schwedischen Missionaren, einem Evangelisten aus Kenia und den Gebets- und Erweckungsbewegungen unter Oberschülern und Studenten in verschiedenen Städten. Die Full Gospel Believers‘ Church (FGBC) wurde 1967 gegründet, ihre Registrierung abgelehnt und sie lebte, wie auch die anderen Gruppen, bis 1991 zumeist im Untergrund. Dann nennt der Autor Quellen und Veröffentlichungen zum äthiop. Pentekostalismus; aus der Anfangszeit die Archive der Missionen, im Laufe der Zeit ergänzt durch Forschungen an protestantischen Seminaren und anderen Stellen.

Im 2. Kapitel geht der Autor der Frage nach, inwieweit die Entstehung der äthiop. Pfingstbewegung auf westliche Missionen oder auf nationale Aufbrüche zurückgeht. Die Verdienste der Missionen werden hervorgehoben, aber auch die entstandenen Spannungen. Das Auftreten des Kenianers Chacha Omahe war ein wichtiger Impuls, wird aber unterschiedlich bewertet.

Das 3. Kapitel beschreibt die Anfänge einer eigenständigen Pfingstbewegung in Äthiopien, wobei Studenten der Addis Abeba Universität, eine von den Finnen getrennte Gruppe, Absolventen des Harar-Lehrerseminar und Oberschüler aus Nazareth 1967 die erste Pfingstkirche, die FGBC, gründeten.

Im 4. Kapitel beschreibt Haustein die Hintergründe der Verfolgung der Pfingstler während der Kaiserzeit. Die Beantragung der Registrierung beim Staat 1967 wird bei einigen Autoren hervorgehoben um deutlich zu machen, dass nicht ein Fehlverhalten der Pfingstler die Ursache von Verfolgungen war. Die landesweiten und örtlichen Behinderungen waren zumeist angestoßen von Vertretern der EOC. Den Regierungsorganen wird systematisches Unrecht nachgesagt. Anders wird die Verfolgung in der Kaiserzeit von der FGBC 1978 dargestellt, als sie für kurze Zeit die erste Pfingstkirche in Addis Abeba einweihen kann. Erweckung und Wachstum werden genannt und die vergangenen Jahre als Zeit göttlicher Prüfung beschrieben. Ein anderer Weg, mit den Verfolgungen umzugehen, waren Verhandlungen. Vertretern der FGBC gelang es, dem Kaiser direkt ein Schreiben zu übergeben. Dazu versuchten Missionare der Swedish Philadelphia Church Mission (SPCM) durch Kontakte zur kaiserlichen Familie für die FGBC Versammlungsmöglichkeiten zu erwirken. Ab 1971 nahmen die Spannungen mit der EOC und dem Staat zu und führten zur Massenverhaftung im Sommer 1972. Eine Rede des neuen Patriarchen Theophilos wird dafür als Grund genannt, dazu ein Regierungs-Circular von 1971. Gespräche mit der EOC, juristische Schritte, das Einschalten der internationalen Presse und ökumenischer Weltorganisationen beendeten die Unterdrückung nicht.

Im 5. Kapitel beleuchtet Haustein die Situation der Kirchen in der Derg-Zeit, wobei diese am Anfang die Revolution befürworteten, sich nach deren Wendung zum Marxismus/Leninismus davon distanzierten. Die Behinderungen der verschiedenen Pfingstkirchen durch den Derg werden genauer dargestellt. (In den pentekostalen Quellen über die Derg-Zeit stehen dabei nicht Menschen im Vordergrund, sondern Gott, der durch die Verfolgungen zur Erweckung führt.) Ist Sozialismus mit dem Christentum vereinbar? Gehört Verfolgung zur eigenen Identität? Gab es interne Spannungen? Wurden nur die Pfingstler verfolgt? Hat die Verfolgung Konfessionsgrenzen gesprengt? Wo und wie begann die charismatische Bewegung? Wurden geisterfüllte Jugendliche von der eignen Kirchenleitung verfolgt und hat die Haltung der großen Kirchen das Wachstum der Pfingstkirche gefördert? Diesen und anderen Fragen wird nachgegangen.

Im letzten Kapitel schreibt Haustein über Möglichkeiten und Grenzen religiöser Geschichtsschreibung überhaupt.

Jörg Hausteins Buch ist das Ergebnis jahrelanger Forschung, mit etwa 140 Interviews, dem Studium von Quellen innerhalb und außerhalb Äthiopiens, der Verarbeitung einschlägiger Literatur, sowie der Auswertung von vielen Seminararbeiten. Aus vielen Steinchen entsteht ein gelungenes Mosaik von der äthiopischen Pfingstbewegung, dem man nur eine große Verbreitung wünschen kann, auch wenn an einigen Stellen verallgemeinert oder gekürzt wurde, etwa bei der Frage nach der Lehre. Die Verfolgungen ziehen sich wie ein roter Faden durch alle Kapitel. Auch wenn in Einzelberichten die Täter genannt werden, so wird bei den Pfingstlern meist auf Gott als dem Urheber hingewiesen, der den Glauben prüfen und die Gemeinde wachsen lassen will. Verfolgung wird zum Gütesiegel wahren Christseins. Eine willkommene Studie.

 

ISBN:978-3-447-06528-3
XVI, 295 Seiten
Preis: €38,00
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Zuletzt verändert: 24.05.2013 08:38