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Projekt: Verortung von Frauen in Evangelikalen Kirchen in den USA

Evangelikale-Frauen-Identitäten: Rollenzuschreibungen/-verhandlungen und Identitätskonstruktionen von Frauen in evangelikalen Gemeinden am Beispiel des Großraums New Haven, CT, USA

Meine Studie befasst sich mit evangelikalen Frauen im Großraum New Haven, CT, USA, wo ich mich zum Studium und zu Forschungszwecken mehrere Jahre aufhielt.

Bei der Untersuchung evangelikaler bzw. pentekostaler Kirchen in den USA wurde bis vor kurzem die Position der Frauen und deren Verhandlung weitgehend vernachlässigt. Erst um das Jahr 2000 wurde die Rolle der Frau wirklich zum empirischen Forschungsgegenstand, es wurde nicht nur theoretisch über die Rolle diskutiert, sondern in der Praxis nach der Meinung und Einschätzung der gläubigen Frauen selbst gefragt. In Studien wie von Gallagher, Porter, Creegan, Manning, Ingersoll, Bendroth wird dieser Trend deutlich. Allerdings ging es allzu oft um ausgewählte Frauen aus akademischen Kreisen oder rein um die Rollenverhandlungen innerhalb der Familie. Ein breiterer Querschnitt von Frauen in den verschiedensten Lebenswelten und –phasen oder auch unterschiedlichen Konfessionen schien bisher zu fehlen.

Zielsetzung meiner Studie ist folglich, Frauen „of all walks of life“ zu Wort kommen zu lassen, ebenso wie dabei den Stellenwert und die jeweilige Definition von weiterhin stark als „boundary Markers“ fungierenden Konzepten wie „male headship“, „spiritual authority“, „leadership in church“, sowie „Feminismus“ bzw. „feministische Praxis“ in einzelnen Gemeinden abzugleichen. Dabei steht der weiterhin aktuelle Diskurs um „Evangelikalismus“ versus „Feminismus“ und die daraus entstandene Herausbildung eines „evangelical feminism“ im Vordergrund. In der aktuellen Debatte tauchen Schlagworte wie "pragmatic feminism" oder "biblical feminism" auf, die andeuten, dass (zumindest auf akademischer Ebene) sehr viel mehr feministische Tendenzen in „bible-believing churches“ Einzug gehalten haben, als gemeinhin angenommen werden könnte. Die konkrete Verhandlung biblischer und kirchlicher Lehren in Hinblick auf Geschlecht sowie die Anpassung traditioneller Rollenmodelle tragen die Frauen häufig jedoch mit sich alleine aus, nicht selten in Form eines andauernden inneren Konfliktes.

Meine Fragestellung richtet sich nun darauf, in konkreten Gemeinden im Raum New Haven herauszufinden, wie sich einzelne Frauen in ihrem jeweiligen kirchlichen, beruflichen und privaten Kontexten als „godly woman“ definieren und wie theologische Konzepte in Widerspruch zum eigenen Lebensentwurf bzw. Selbstverständnis stehen können: wie viel wird hinterfragt? Wo findet sich feministisches Denken? Wo werden feministische Konzepte aber gleichzeitig (offiziell) abgelehnt? Wo und warum kommt es zu (inneren) Konflikten und Kritik? Wo liegt letztlich die Grenze, eine Gemeinde gegebenenfalls auch wieder zu verlassen? Wie werden theologische Genderrollen im privaten und beruflichen Bereich angepasst? Wie kommen diese Frauen mit ihrer als biblisch gesehenen Rolle insgesamt zurecht? Dabei spielt natürlich die Frage des Bibelverständnisses und der Hermeneutik eine ganz entscheidende Rolle. Nicht selten wurde mir gegenüber denn auch Kritik daran laut, dass Frauen meist die entsprechende (Aus)Bildung und das Wissen für eine solide Bibelauslegung schlichtweg fehlt. Außerdem wird sehr wohl hinterfragt, dass Frauen in vielen Gemeinden zu wesentlichen Fragen gar nicht gehört werden und ihre Anliegen oft übergangen werden.

Methodisch habe ich für meine Studie über 40 Frauen aus drei recht unterschiedlichen Gemeinden (Baptist, Free Evangelical, non-denominational Pentecostal church) nach Glaubens- und Lebenshintergrund sowie zu relevanten Themen eingehend interviewt (Life Stories und Leitfadeninterview), habe Materialien gesammelt, an möglichst vielen Veranstaltungen teilgenommen, mit den Pastoren und deren Frauen gesprochen und dezidierte Frauenkonferenzen besucht. Des weiteren stehe ich in Austausch mit Professorinnen und Professoren evangelikaler Einrichtungen, sowie mit Mitgliedern der für den Diskurs ausschlaggebenden Organisationen der CBMW (Christians for Biblical Manhood and Womanhood) und der CBE (Christians for Biblical Equality). Das Spektrum der Bibelauslegung in Hinblick auf Geschlecht variiert innerhalb der evangelikalen Kirchen natürlich erheblich. Darum habe ich mir im „biblical graveyard“ des Nordostens ausschließlich Gemeinden ausgewählt, die in ihrem „statement of faith“ und ihrer „constitution“ doch eine sehr klare traditionelle Aufgabenverteilung von Mann und Frau erkennen ließen.

Insgesamt bin ich jedoch auf eine überraschende Bandbreite an Verhandlungs- und Umsetzungsstrategien gestoßen, die zwar häufig in Widerspruch zur kirchlichen Lehre und zum eigenen Bibelverständnis standen, was jedoch bei meinen Probandinnen kaum zu größeren Konflikten führte. Das kann auch daran liegen, dass die Geschlechterfrage von den Pastoren selbst gerne umgangen oder klein geredet wird, denn sie gibt doch immer wieder Anlass zu Unstimmigkeiten und dem unguten Gefühl vieler Frauen, ausgeklammert oder einfach vertröstet zu werden.

Ein kurzer Überblick über aktuelle Literatur zum Thema findet sich in meiner Bibliografie.

Beitrag von:

Heike Munz

Heidelberg, Deutschland
Uni Heidelberg, Doktorandin der Theologie
Zuletzt verändert: 15.01.2007 21:09